Jessica K.

Jessica K. (Deutschland)

Meine Tochter Jessica leidet an dem Aicardi-Goutieres-Syndrom.


Ich schreibe die Geschichte von ihr auf, in der Hoffnung, Menschen mit gleicher oder ähnlicher Situation kennen zu lernen.

Meine Tochter heißt Jessica Kremer


    * Geb. am 13.07.1997
    * Gewicht: 3310 g
    * Größe: 52 cm
    * Kopfumfang: 33,5 cm
    * Wohnort: Hundsangen (Westerwaldkreis)
    * Tel: 06435 / 7840

Die Schwangerschaft und Geburt verliefen völlig normal.
Jessica war von Geburt an ein ruhiges zufriedenes Mädchen. Sie hat sehr viel geschlafen.
Nach ca. 8 Wochen hatte ich ein ungutes Gefühl. Das gleichaltrige Kind meiner Freundin fing
an zu lachen und zu reagieren. Bei Jessica kam noch keine Reaktion. Nach 3 Monaten ging ich
zum Kinderarzt zur Kontrolluntersuchung. In der Entwicklung hatte sich noch nichts getan.
Essen, schlafen und schmußen war die einzige Beschäftigung. Der Arzt sagte, daß sie etwas
später in der Entwicklung wäre und wir uns keine Sorgen zu machen brauchen.
Anfang vierter Monat begann Jessica die Arme und Beine zu strecken und damit zu zittern.
Der Kinderarzt meinte sie hätte Calciummangel und gab uns solches zur Einnahme. Nach drei Tagen
war das Zittern nicht weg, sondern es hielt länger an. Anfangs dauerte dieses Zittern nur ein paar
Minuten und inzwischen bis zu einer halben Stunde. Als wir diesesmal zum Kinderarzt fuhren, hat er
dieses Zittern bei Jessica gesehen. Er überwies sie dann sofort ins Krankenhaus mit Verdacht auf
epileptische Anfälle.
Wir fuhren dann also Anfang November 1997 zur Abklärung ins Krankenhaus nach Koblenz (Kemperhof).
Mittlerweile dauerten die Anfälle schon bis zu 2 Stunden. Sie weinte nicht dabei, war nur anschließend
sehr müde.
Es wurden die üblichen Untersuchungen, wie EEG, Ultraschall, CT, Kernspintomographie usw. gemacht.
Beim Ultraschall vom Kopf stellte man Verkalkungen fest.
Sie mußte nun medikamentös eingestellt werden. Schon der erste Versuch mit Luminaletten gelang.
Nach 6 Wochen durften wir nach Hause. Eine Diagnose konnte man uns noch nicht sagen. Nach der
Frage, wie es denn nun mit ihr weiter ginge, bekamen wir gesagt, daß der Entwicklungsstand von Jessica
einem Neugeborenen gleiche. Es könnte sein, daß das Gehirn sich weiter entwickelt, stehen bleibt
oder noch zurück ginge. Im Februar 1998 fuhren wir in die Uniklinik nach Göttingen, spezialisiert
auf dem Gebiet der Neuropädiatrie. Dort wurde unter anderem eine Spektroskopie gemacht und Nervenwasser
entnommen. Man stellte fest, daß die Werte im Liquor erhöht sind, das Gehirn nicht gewachsen ist und
Verkalkungen vorhanden sind.

Mit 7 Monaten, nach 10 Tagen im Krankenhaus bekamen wir die Diagnose: Aicardi-Goutieres-Syndrom.
Uns wurde gesagt, daß die weiße Gehirnsubstanz und die Myelinschicht sich zurück entwickelt und
sie wahrscheinlich das Schulalter nicht erreichen würde.

Jessica wird nun drei Jahre alt. Sie ist ein sehr zufriedenes ruhiges Mädchen.
Im November 1999 hatte sie einen starken Krampfanfall, der aber ganz anders aussah als die anfänglichen
Anfälle. Sie begann schnell zu atmen, verdrehte die Augen, drehte den Kopf auf eine Seite und nach hinten,
machte die Arme und Beine ganz steif, die Finger krumm und der Speichel lief aus dem Mund. Sie war
2 Stunden nicht ansprechbar. Nach einigen Untersuchungen im Krankenhaus stellte man eine Harnwegsinfektion
mit hohem Fieber fest. Der Anfall war ein Fieberkrampf.
Dies war der einzige Anfall seit ihrem 7 Lebensmonat. Außer 2 Tagen Fieber mit 1 Jahr und dieser
Harnwegsinfektion war Jessica noch nie krank. Sie hatte weder Husten noch Schnupfen oder sonstige Infekte.
Mit ca. 1 Jahr fing sie an zu lachen. Seit ihrem 2 Lebensjahr ist sie aufmerksamer, reagiert sehr gut auf
Geräusche, dreht auch den Kopf in die Richtung. Sie kann sich in Bauchlage einen kurzen Moment auf die
Arme stützen und den Kopf halten. Nachdem sie das erste Jahr fast verschlafen hat, ist sie jetzt wesentlich
munterer. Mit 2 ½ Jahren fing sie an laut und herzhaft zu lachen.
Sie kann mittlerweile gut zeigen, ob sie Schmerzen hat, beschäftigt werden will oder Hunger hat.
Jessica kann nur Pürriertes mit dem Löffel essen. Zu trinken bekommt sie mit dem Becher.
Seit ihrem 1. Lebenjahr bekommt sie einmal pro Woche Krankengymnastik und Ergotherapie. Mit 2 Jahren begann
die Frühförderung. Die Luminaletten bekommt sie seit ihrem 4. Lebensmonat, morgens eine und abends zwei.
Ich ernähre meine Tochter vollwertig. Sie bekommt kein Weismehl und kein Zucker. Dies stärkt das Imunsystem,
die Abwehrstoffe. Die ersten 9 Monaten wurde sie gestillt.
Im August kommt sie in einen Sonderkindergarten und ich werde wieder für 3 halbe Tage arbeiten gehen.

Wir haben jetzt Anfang 2002. Jessica ist nun 4 Jahre alt und seit über 1 Jahr im Kindergarten. Es gefällt
ihr sehr gut. Dies zeigt sie, indem sie morgens strahlend wegfährt (sie wird vom Roten Kreuz abgeholt)
und mittags lächelnd nach Hause kommt. Im November 2000 und im Januar 2001 hatte sie wieder starke
Krampfanfälle. Diese kamen bis jetzt immer in Verbindung mit hohem Fieber. Die Anfälle sind so schlimm,
daß wir mit dem Notarzt ins Krankenhaus müssen. Seit einem Jahr hatte sie nun keinen Anfall, allerdings
auch kein Fieber mehr. Kürzlich hatte sie die Windpocken und diese hat sie ohne Probleme überstanden.
An Medikamenten bekommt sie immer noch die Luminaletten, allerdings morgens und abends zwei.
Der Allgemeinzustand ist immer noch gut. Sie lautiert nun etwas mehr. Man hat oft den Eindruck, als
wolle sie uns etwas erzählen. Die meiste Zeit ist sie immer noch zufrieden und lacht sehr viel.
Allerdings verschlechtert sich der Zustand der Hüfte, die Muskeln im Beinbereich verkürzen sich,
sodaß sie demnächst operiert werden muß. Sie bekommt die Muskeln in den Oberschenkeln angeritzt.

Wir haben jetzt Mitte 2004. Jessica ist nun 7 Jahre alt. Es ist noch keine Verschlechterung eingetreten.
Sie kann nicht sitzen, hat keine Kopfkontrolle und hält auch nichts in den Händen.

Im März 2002 hat Jessica die Aduktoren in den Oberschenkel angeritzt bekommen (Bad Neuenahr). Außer der
Narkose hat Jessica die OP gut überstanden, nur 4 Tage Krankenhaus. Sie kann heute noch die Beine ganz
weit auseinanderspreitzen, vorher waren sie meist überkreutzt. Sie hat bis jetzt noch keine Kontrakturen
und keine Skoliose, obwohl der Rücken etwas danach aussieht. Die Wirbelsäule macht einen leichten Bogen
nach links, man kann ihn aber noch gerade richten. Die unteren Brustwirbel drücken sich etwas nach vorn.

Mitte 2002 und im Herbst 2003 hat Jessica Frischzellen in Rhens bei Koblenz bekommen. Riesen Fortschritte
hat sie danach nicht gemacht, aber auch keine Rückschritte. Seit dem hat sie keine großen Krampfanfälle
mehr. Sie krampft zwar jetzt „etwas öfter“, zwei bis vier mal im Jahr (vorher 1 mal), aber dafür nur
ein paar Minuten. Das Notfallmedikament Diazphan hilft nun.

Sie ist wesentlich aufmerksamer geworden, nimmt äußerliche Reize bewußter war und reagiert besser.
Ich ernähre sie nicht mehr vollwertig. Sie bekommt immer noch Babybreie oder normales Essen, aber
fein pürriert. Man merkt jetzt, was ihr schmeckt und was nicht. Sie brauch mehr Beschäftigung. Sie
ist immer noch sehr schreckhaft, weint aber nicht mehr jedesmal.

Seit Mitte 2002 bekommt sie Musiktherapie, was ihr sichtlich Spaß bereitet, außerdem 1-2 mal pro Woche
Krankengymnastik und 1-2 mal Ergotherapie. An Medikamenten nimmt sie immernoch die Luminaletten, morgens
und abends 2.

Ihr Allgemeinzustand ist sehr gut, selten krank, macht meistens einen sehr zufriedenen Eindruck und
lacht viel, manchmal sogar richtig herzhaft. Sie ist fast so groß wie gleichaltrige Kinder, aber
wesentlich leichter (12 kg). Ihr Kopf und die Füßs sind fast nicht mitgewachsen. Die Hände sind noch
die meiste zeit geöffnet und der Mund geschlossen. Seit einigen Jahren hat sie Myoklonie, gelegentliches
Zittern der Arme oder Beine.

Dieses Jahr wäre sie normalerweise in die Schule gekommen, ich habe sie aber noch ein Jahr zurückstellen
lassen. Sie fühlt sich sichtlich wohl im Kindergarten.

Im November fahren wir nach Baiersbronn in ein Therapiezentrum, dort bekommt sie gezielte Mundtherapie
(Castillis-Moralis), Krankengymnastik und Ergo. Im September 2002 waren wir in Kur (Therapiezentrum in
Mardorf bei Neustadt).

Seit April 2003 hat Jessica einen Bruder. Er ist gesund. Ich glaube, dass Jessica von ihm profitiert.
Es ist mehr „Aktion“ zu hause. Ständig rappelt, rasselt oder poltert etwas, was ihr sichtlich Freude
bereitet.

An Hilfsmittel haben wir jetzt eine Rehabuggy, eine Sitzschale und eine Antikubitusmatratze. Diese ist
sehr zu empfehlen. Jessica schläft seitdem besser. Wir müssen sie nachts nicht mehr so häufig anders
lagern. Demnächst lassen wir noch unser Auto umbauen. Es wir ein Heckeinstieg eingebaut, sodaß ich
sie in der Sitzschale tranportieren kann.

Wir haben eine Selbsthilfegruppe gegründet, bei der ich erste Vorsitzende bin.

Dr. Klepper von der Uniklinik in Essen ist unser betreuender Arzt, der auch bisher die meisten Kinder
mit Aicardi-Goutieres-Syndrom in Deutschland kennt, bzw. betreut und somit Erfahrung mit dieser
Erkrankung hat.